Aktive Beteiligung ist das Lebenselixier für Demokratie und Innovation im Gemeinwesen.

#steileThesen: These 03 - Februar 2019

Eine wirksame Beteiligung kann nur gelingen, wenn die Stufen der reinen Information oder Anhörung überschritten werden und Fachkräfte sowie Kinder und Jugendliche von Anfang an Ziele und Prozesse mitbestimmen können.

Teilhabe, Beteiligung, Mitgestaltung, Mitbestimmung, Einbeziehung, Mitwirkung, Selbstorganisation, Mitsprache, Teilnahme, Mitverantwortung, Einbindung und allem voran der schillerndste Begriff -“Partizipation“. Ein Begriff, der sich seinen Weg von der UN-Kinderrechtskonvention über das SGB VIII, den Fachstandards in der Kinder- und Jugendarbeit bis hin zu den Konzepten und Angeboten einzelner Vereine gesucht hat. Er kommt geradezu wie ein Schwergewicht um die Ecke, ein Must-have aller sozialen Bereiche – kaum eine Projektbeschreibung in der Sozialen Arbeit kommt ohne ihn aus.

Umso wichtiger ist es, diesen oft genutzten Begriff an dieser Stelle etwas zu schärfen: Ausgehend vom Stufenmodell, in Anlehnung an Sherry Arnstien, kann Partizipation bzw. deren Vorstufen in unterschiedlicher Intensität und Ausprägung gelebt werden. Die bloße Weitergabe von Informationen, das Anhören und Einbeziehen von Akteur*innen werden dahingehend als Vorstufen von Partizipation verstanden. Tatsächliche Partizipation entfaltet sich jedoch erst auf einem Level der Mitbestimmung und Entscheidungsmacht und lässt sich am Grad der Entscheidungsteilhabe messen. Somit haben Menschen, Projekte und Vereine in erster Instanz die Möglichkeit, gehört zu werden, Informationen zu erhalten und sich einzubringen.

Viel entscheidender ist dann im nächsten Schritt auch die aktive Entscheidung und Mitbestimmung einzuräumen. Das kostet Zeit, Ressourcen und bisweilen auch Nerven. Also ist aktive Beteiligung auf dem ersten Blick nicht unbedingt der bequemste Weg, wohl aber der nachhaltigere. Denn aktive Teilhabe ist nicht nur das Einbringen von Ideen, sondern auch das Erleben von Wirksamkeit und funktioniert dadurch in mehrere Richtungen. Es stärkt das Vertrauen in demokratische Strukturen bzw. Prinzipien, ermöglicht Menschen für ihre eigenen Überzeugungen einzustehen und sich als handlungsfähig zu erleben.

Mithin lässt sich das Konzept der Partizipation praktisch auf unterschiedlichen Ebenen betrachten. Dies geschieht durch die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen bei Beteiligungsprojekten genauso wie bei Ausarbeitung fachlicher Standards für ganze Berufsgruppen. So wurde beispielsweise die Neugestaltung des Karl-Heine-Platzes mit dem Kinderbüro auf Grundlage der Zeichnungen von Kindergarten- und Schulkindern unter Beteiligung interessierter Menschen durchgeführt. Als ein weiteres Beispiel gelingender Beteiligung kann die Erarbeitung der Fachstandards für die Mobile Jugendarbeit in Leipzig genannt werden.

Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Immer wieder erleben wir in unserer Arbeit wie mühselig und anspruchsvoll es ist, aktive Beteiligung einzufordern oder zu ermöglichen. Denn nicht überall wo Beteiligung drauf steht, ist auch Beteiligung drin. Immerhin gibt es seit 2012 Leitlinien zur Bürgerbeteiligung in Leipzig, die via Dienstanweisung vom Oberbürgermeister an die Kommunalverwaltung erteilt wurden. Obwohl Menschen über die gesamte Dauer eines Planungs- und Entscheidungsprozesses einbezogen werden sollen, ist es vorgekommen, dass Entscheidungen oder Termine erst spät oder gar nicht an uns herangetragen wurden und dadurch die Beteiligung Jugendlicher nicht mehr zu Stande kam. Oder lediglich zwischen zwei vorgegeben Varianten der Platzgestaltung gewählt werden durfte, die für uns wenig praktischen Nutzen aufwiesen. So ein Vorgehen deckt sich nur schwer mit unserem Verständnis von Partizipation.

Umso wichtiger ist es, dass Formen der aktiven Beteiligung auch den Adressat*innen und ihrer Lebenswelt entsprechen. Denn Möglichkeiten der Partizipation werden oft in hochschwelligen Angeboten durchgeführt, die von verwaltungsdominierten Handeln geprägt sind. Überall wo diese Hürden zu groß erscheinen, setzt Mobile Jugendarbeit an, um als Ideengeber*in, Übersetzer*in und Fürsprecher*in für Transparenz und Chancengleichheit zu sorgen. Doch erst wenn diese Starthilfe nicht mehr nötig ist, kann von wirklicher Beteiligung gesprochen werden.

Quellen:
Block, Martina/ v. Unger, Hella/ Wright, Michael T. (2008): Stufen der Partizipation. URL: http://www.partizipative-qualitaetsentwicklung.de/partizipation/stufen-der-partizipation.html [16.07.2017].

Dischler, Andrea (2017): Was heißt Mitbestimmung und wie hat sich Partizipation in der Jugendhilfe entwickelt? Fachtag zur Partizipation / LVkE. München URL: http://www.lvke.de/cms/contents/lvke.de/medien/dokumente/was-heisst-mitbestim/was_heit_mitbestimmung_und_wie_hat_sich_partizipation_in_der_jugendhilfe_entwickelt__ph__1_2017.pdf [17.01.2019].

Gerull, Susanne (2017): Alibi oder Voraussetzung für eine professionelle Unterstützung? Partizipation in der Wohnungslosenhilfe. 2. Bundesweite Fachtagung Erwachsenenstreetwork. Berlin. URL: https://erwachsenen-street.work/images/files/Gerull_Alibi-oder-Voraussetzung.pdf [17.01.2019].

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